Das erste Semester – Eindrücke, Erfahrungen
Mein erstes Semester und damit auch die ersten Monate als Student sind vergangen. Was hat sich verändert, was habe ich erlebt in dieser Zeit?
Ob mich die Zeit verändert oder gar reifer gemacht hat, kann ich nicht beurteilen. Eigentlich habe ich den Unterschied zu Schule auch nicht so sehr wahrgenommen, es war kein Riss, der sich nach dem 20. März aufgetan hat und aus dem ich mich erst hätte befreien müssen.
Woran das liegt, weiß ich nicht. Vielleicht, weil die Oberstufe gewissermaßen schon eine Vorbereitung war (allerdings empfand ich den Sprung von der Mittelstufe zur Oberstufe auch nicht als besonders bedeutend), vielleicht, weil Uni genau wie Schule Lernen, Zuhören, Mitarbeiten bedeutet.
Als ich Mitte April aus dem Studierendensekretariat kam und meinen Studentenausweis in der Hand halten konnte, der mir sagte, dass ich ein Teil dieser riesigen Universität geworden war, war das schon ein besonderer Moment für mich und wann immer ich in den folgenden Monaten jemanden aus meiner Altersgruppe getroffen habe, der (noch) nicht studierte, habe ich mich so gefühlt, als ob ich bereits eine Lebensstufe weiter wäre.
Genauso merkwürdig ist es für mich, wenn ich erfahre, dass mir bekannte Personen jetzt schon arbeiten gehen oder allein wohnen.
Wege trennen uns oder führen uns zusammen – in beidem liegt ein neuer Anfang– Werner Bethmann
Ansonsten habe ich nicht mehr oft an die Schulzeit selbst zurückgedacht, höchstens an Personen, die ich gerne wiedersehen würde. Gelegenheit dazu hatte ich bei einem Schulfest, einer höchst seltenen Veranstaltung an meiner alten Schule, bei dem ich aber erfahren musste, dass an uns “Gegangene” keiner mehr dachte und die neuen Abiturienten schon in den Startlöchern standen. Ich bin zunächst allein über den Schulhof getingelt. Um mich herum unzählige Leute, die alle beschäftigt waren. Es war für mich fast so, als ob ich ein Geist längst vergangener Tage wäre, den keiner mehr sieht. Einem Lehrer bin ich lange hinterhergelaufen, habe ihn zweimal angesprochen, als er direkt neben mir stand, aber er hat mich weder gehört noch gesehen. Erst als ich später mit zwei Freunden unterwegs war, schien er mich im Blick zu haben. Irgendwie ist es traurig, sich nicht mehr als Teil dieser Gemeinschaft zu fühlen. Aber so ist das Leben eben. Manchmal, wenn der Bus an der Haltestelle hält und Leute umsteigen müssen, die noch zur Schule gehen, denke ich daran, wie es für sie sein muss, zu festen Zeiten im Unterricht zu sitzen, unangekündigte Tests zu schreiben und Hausaufgaben zu machen. Dann fährt der Bus los und die Gedanken verschwinden.
Tell me why am I still here when it’s all gone
I’m living with the ghost of yesterday
Tell me why I am still trying to hold on
I’ve got to tear it down to let it go
– Within Temptation: Tell me why
Als ich das erste Mal mit dem Bus die neue Strecke gefahren bin, hatte ich noch den Fahrplan in der Hand. Inzwischen kenne ich die Mitstudenten, weiß, wer wann auf den Knopf drückt und wann man sich am besten erhebt, um noch rechtzeitig auszusteigen. Ich habe nicht lange gebraucht, um mich an die neuen Umstände zu gewöhnen.
Für mich ist das Studium mit meiner Fächerkombination weiterhin richtige Entscheidung, wenngleich ich manchmal ein bisschen erstaunt bin, wie die Fächer aufgebaut sind.
Am meisten gewundert habe ich mich über die Studenten selbst. Aus irgendeinem Grund habe ich mir vorgestellt, dass auf Universitäten hauptsächlich interessierte und begabte Leute sind, aber da habe ich mich geirrt. Dass man nicht direkt bei 100% Vorwissen ansetzen kann, war mir klar, aber ich dachte, dass man beispielsweise als Student der Germanistik sowohl zumindest ein paar “grundlegende“ Werke gelesen hat als auch eine gewisse Arbeitsbereitschaft zeigt, aber da bin ich wohl zu sehr von mir ausgegangen. Bei manchen habe ich mich wirklich gefragt, ob sie begriffen haben, dass der Sinn eines Studiums das wissenschaftliche Arbeiten ist.
Ich bin mit meinen 19 Jahren noch eine der jüngsten, dementsprechend wundere ich mich immer wieder, was für ein Benehmen Ältere an den Tag legen (vom Zustand der Toiletten oder dem Aussehen der Arbeitstische möchte ich an dieser Stelle nicht sprechen – arme Putzfrauen!). Dass viele von ihren Smartphones auch während der Veranstaltungen nicht mehr zu trennen sind (was ich persönlich respektlos gegenüber dem Vortragenden finde) oder die Vorlesungen nutzen, um erst einmal eine ordentliche Mahlzeit zu sich zu nehmen, und Leute ständig Rede- und Kommentierbedarf haben, ist Alltag.
In den Seminaren herrscht dann meist das krasse Gegenteil, nämlich dass sich keiner beteiligt – weil sich die Studenten nicht vorbereitet haben und es keine mündlichen Noten mehr gibt. Mir tun die Dozenten leid, die in solche Situation kommen und hilflos in die schweigende Menge gucken, während sie immer leichtere Fragen stellen, bis sich irgendeiner mal erbarmt, eine Antwort zu geben. Das hat schon dazu geführt, dass sich der Dozent quasi 90 Minuten nur mit einer Person ausgetauscht hat. Diejenigen, die sich aber tatsächlich vorbereiten, interessiert sind und Fragen stellen, sind dann die Streber, während alle anderen über Langeweile klagen. Aber lieber ein Streber sein, als sich mit seiner Faulheit brüsten.
Tatsächlich hat man als Student sehr viele Freiheiten, aber man muss natürlich auch damit umgehen können. Es gibt keinen, der einen zum Lernen antreibt, genauso wenig jemanden, der einem Anerkennung zollt (mir zum Beispiel, dass ich jede Veranstaltung besucht habe :D). Die Dozenten haben genug zu tun, deshalb darf man es ihnen nicht übel nehmen, wenn sie sich nicht auf den Einzelnen konzentrieren können.
Auch mit den zahlreichen Mensen auf dem Campus habe ich mich vertraut gemacht – und direkt beim ersten Mal eine tote Fliege auf dem Teller gefunden… Ansonsten war ich aber doch überrascht, dass es fast immer geschmeckt hat, ich habe selbst Dinge gegessen und für gut befunden, die ich sonst meide.
Alles in allem bin ich zufrieden, auch wenn man im ersten Semester natürlich noch nicht ganz so sehr gefordert wird. Mal sehen, was noch folgt ^^.
super