Ein Tatort in Mainz – warum nicht?
Mitte August wandte sich der Oberbürgermeister der Stadt Mainz, Michael Ebling, in einem Brief an den SWR-Intendanten. Nanu, fragt man sich, ist das jetzt schon offene politische Einflussnahme aufs Fernsehen?
Tatsächlich war es ein Versuch einer Einflussnahme, der jedoch eher mit einem Zwinkern zu sehen ist. Inhalt dieses Briefes war der Wunsch, wieder einmal einen Tatort in Mainz spielen zu lassen, angestoßen dadurch, dass bei der zuständigen Sendeanstalt durch den Wegfall des Konstanz-Tatorts bald ein Platz für eine neue Stadt frei werde, wie die Allgemeine Zeitung Mainz berichtete.
Der Tatort ist die wohl die beliebteste und bekannteste Krimiserie in Deutschland, vermutlich schon deshalb, weil sie kein festes Ermittlerteam hat, sondern jede Folge, die von den einzelnen Landesanstalten der ARD produziert wird, ein anderes Team aus einer anderen Stadt ermittelt. Folgt man diesen Quoten, sehen bei einer Folge dieser Krimireihe teilweise über 10 Millionen Zuschauer zu, was beachtlich ist, wenn man bedenkt, dass Deutschland 80 Millionen Einwohner hat und Online-Plattformen wie Netflix oder Maxdome dabei sind, das lineare Fersehen zu verdrängen.
Von 1978 bis 1980 gab es drei Folgen des Krimis, die in Mainz gespielt haben, ansonsten sieht es bei Serien, die in Mainz spielen, eher mau aus, auch wenn das ZDF hier seinen Sitz hat.
Mal davon abgesehen, dass Mainz auch andere Probleme hat, als Tatort-Stadt zu sein, finde ich die Idee durchaus reizend. Besonders amüsiert hat mich an der ganzen Sache, dass ich zeitgleich selbst einen zwei Jahre alten Krimi von mir überarbeitet habe, der in Mainz spielt (eigentlich habe ich ihn sogar komplett neu geschrieben, die alte Fassung war zu unrealistisch). Sich vorzustellen, seine eigenen Ideen filmisch verwirklicht zu sehen, hat schon etwas Reizvolles, auch wenn es vielleicht nie dazu kommen wird.
Auf dem Onlineangebot der Allgemeinen Zeitung wurden ebenfalls Vorschläge gesammelt, wie ein solcher Krimi aussehen könnte. Darunter waren – wie könnte es anders sein – auch die Dinge zu finden, die die Stadt “ausmachen”, allen voran die Fastnacht und das Verhältnis Mainz vs. Wiesbaden. Mainz und seine “Eigenheiten” zu präsentieren, halte ich für eine gut, allerdings nicht auf allzu klischeehafte Weise. Mainz ist nicht nur Fastnacht und Fleischwurst, genauso wenig wie Bayern nur Bier und Oktoberfest ist.
Im Übrige bin ich selbst kein wirklicher Fan (mehr) von Krimis im Fernsehen, in Büchern allerdings schon :). Immer wieder bin ich fasziniert, wie es Autoren schaffen, Spannung aufzubauen und den Leser immer wieder in die Enge führen.
Wer abseits von Sherlock Holmes, Miss Marple und den heutigen Krimigeschichten mal etwas weniger Bekanntes aus dieser Richtung lesen will, dem empfehle ich “Das Fräulein von Scuderi” von ETA Hoffmann sowie “Jugend ohne Gott” von Ödön von Horváth.
Hoffmanns Erzählung handelt von einer betagten Schriftstellerin, die im Frankreich der Barockzeit einen Mörder sucht, der zahlreiche adlige Männer mit einem Messerstich ins Herz getötet und ihnen ein Schmuckstück entwendet hat.
Horváths Roman (dessen Titel mich anfangs dazu verleitet hat, zu denken, es handele sich um ein autobiographisches Werk), schildert das Leben eines Deutschlehrers in der Nazizeit, der wegen einer kritischen Aussage ins Kreuzfeuer der Schule, der Eltern und seiner Schüler gerät. Auf einem Campingausflug mit seiner Klasse (allesamt Jungen) dringt der Lehrer heimlich in ein Zelt in und liest das verschlossene Tagebuch eines seiner Schüler. Kurz darauf wird ein anderer Schüler tot aufgefunden. Eine wirklich interessante Geschichte, bei der man erst am Schluss herausfindet, wer wirklich der Mörder war.