Epochenüberblick 7: Vormärz (1830-1848) – Gegen die Unterdrückung!
Was ich aber mit noch größerem Leidwesen voraussehe, das ist das Zeter jener Pharisäer der Nationalität, die jetzt mit den Antipathien der Regierungen Hand in Hand gehen, auch die volle Liebe und Hochachtung der Zensur genießen, und in der Tagespresse den Ton angeben können, wo es gilt jene Gegner zu befehden, die auch zugleich die Gegner ihrer allerhöchsten Herrschaften sind. Wir sind im Herzen gewappnet gegen das Missfallen dieser heldenmütigen Lakaien in schwarz-rot-goldner Livree.
– Ausschnitt aus dem Vorwort zu “Deutschland. Ein Wintermärchen.” (1844) von Heinrich Heine
Mit dem so genannten Vormärz, mit dem man die Zeit zwischen der Julirevolution 1830 in Frankreich und den Ereignissen ab März 1848 in Deutschland bezeichnet, begann ein Abschnitt der Literatur, der zunehmend vom politischen Geschehen in Deutschland beeinflusst war. Seit dem Wiener Kongress 1815 bestand der Deutsche Bund wie schon im Heiligen Römischen Reich aus zahllos zersplitterten Fürstentümern und Freien Städten. Die Menschen sehnten sich nach einer Einheit, nach einem vereinten Deutschland, was sie unter anderem auf dem Thüringer Wartburgfest 1819 und dem Hambacher Fest 1832 ausdrückten. Es kam zu revolutionären Unruhen in ganz Deutschland, die 1848 in dem Zusammentritt der ersten demokratisch gewählten deutschen Nationalversammlung gipfelten. Schon nach einem Jahr wurde sie wieder aufgelöst, doch der Traum von der Einheit lebte weiter.
Man versuchte die liberalen Köpfe mit den Karlsbader Beschlüssen von 1819, die eine starke Zensur zur Folge hatten und die die schriftliche Meinungsfreiheit verboten, daran zu hindern, ihr Gedankengut unter die Menschen zu bringen, verbot die Schriften des “Jungen Deutschlands”, doch davon ließen sich die Schriftsteller nicht hindern.
Die Autoren des Vormärz wandten sich endgültig von den klassischen Idealen ab und standen ebenfalls im Gegensatz zu dem konservativen Biedermeier, der sich zur gleichen Zeit entwickelte. Goethes Ideen wurden als veraltet und zu konservativ abgelehnt, Schiller mit seinem Streben nach Freiheit jedoch oft als Vorbild ausgerufen.
Die bekanntesten Autoren dieser Zeit sind wohl Heinrich Heine (1797-1856) und der jung gestorbene Georg Büchner (1813-1837). Besonders ersterer, der das Geschehen nach der Zensur aus seinem Exil in Paris beobachtete, gilt mit seinen politischen Gedichten und journalistischen Texten als Repräsentant der Epoche. Die Kunst war für ihn eine Autonomie, die nicht erst durch politische oder soziale Zwecke gerechtfertigt wurde. Sein satirisches Versepos “Deutschland. Ein Wintermärchen” (1844) schildert eine Reise von Paris nach Deutschland und übt dabei Kritik an den damaligen Zuständen. Dass er Deutschland jedoch weiterhin als seine Heimat liebte, schildert er in seinem Gedicht Nachtgedanken, aus dem heutzutage leider viel zu oft aus dem Zusammenhang gerissen zitiert wird. Hier ein Ausschnitt:
Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Tränen fließen.
Der junge Büchner schaffte es mit seiner Erzählung Lenz (posthum 1839) sowie den Dramen Dantons Tod (1835), Leonce und Lena (1836) und Woyzeck (posthum 1879) zu einem bedeutendsten Autor dieser Zeit zu werden. Auch Christian Dietrich Grabbe (1801-1836) trug mit seinen Dramen zu dieser Zeit bei.
Weitere wichtige Autoren sind Ludwig Börne (1786-1837), Ferdinand Freiligrath (1810-1876), der mit dem Gedicht Trotz alledem! eine Anlehnung an das berühmte A Man’s a Man for A’ That schuf und August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874), der den Text der Deutschen Nationalhymne schrieb. Daneben gibt es noch Dutzend andere Schriftsteller dieser Zeit, die beweisen, wie wichtig der Kampf für die Meinungs- und Pressefreiheit und vor allem für ein einiges Deutschland war.