Praktikum im “Mittelhochdeutschen Wörterbuch”
Der folgende Text ist eine gekürzte und teilweise bearbeitete Version des Berichts, den ich im Anschluss an das Praktikum schrieb.
Im Zeitraum vom 13.02.2017 bis zum 13.03.2017 absolvierte ich mein vierwöchiges Pflichtpraktikum im Forschungsprojekt Mittelhochdeutsches Wörterbuch, welches unter der Schirmherrschaft der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz steht. Die Akademie, die 1949 auf Betreiben des Schriftstellers Alfred Döblin gegründet wurde, versteht sich selbst als Trägerin von Forschungsprojekten aus unterschiedlichen Fachbereichen, wobei dazu hauptsächlich langfristige bzw. zeitaufwendige Vorhaben gezählt werden. Neben geistes- und musikwissenschaftlichen Vorhaben gehören auch Projekte dazu, die dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Feld zuzuordnen sind.
Über die Akademie bewarb ich mich für oben genanntes Langzeitprojekt Mittelhochdeutsches Wörterbuch, welches den Wortschatz und -gebrauch der mittelhochdeutschen Sprache (d. h. der Sprache des Zeitraums 1050-1350) aus allen verfügbaren Texten erarbeitet und sowohl in gedruckter als auch in digitaler Form zugänglich macht. Das Projekt wird von drei Arbeitsstellen in Mainz, Trier und Göttingen aus koordiniert und bearbeitet. Die Arbeitsstelle in Mainz hat ihren Sitz an der Johannes-Gutenberg-Universität.
Dass ich auf dieses Projekt stieß, verdanke ich eigentlich nur dem Zufall. Ich kannte die Akademie dem Namen nach, wusste aber weder, welche Projekte sie vertritt, noch, ob sie Praktika anbietet. Eigentlich hatte ich auch schon einen anderen Betrieb für das Praktikum im Sinn, bis ich auf der Website der Akademie las, dass sie immer auf der Suche nach studentischen Praktikanten seien. Sofort machte ich mich unter den zur Verfügung stehenden Projekten auf die Suche, fand das Projekt zum Mittelhochdeutschen Wörterbuch und bewarb mich dort.
Für mich war es das ideale Projekt: Zum einen wegen meines Interesses an der Wissenschaft, in der ich hoffentlich auch irgendwann arbeiten kann, zum anderen, weil ich dank meines Tutoriums im Bereich Ältere Deutsche Literatur mit der mittelhochdeutschen Sprache bereits sehr vertraut bin. Umso freudiger war ich, als ich die Zusage für das Praktikum bekam. Für mich konnte es nichts Besseres geben: Direkt in der Uni an einem Wissenschaftsprojekt mitarbeiten.
Von dem Praktikum selbst versprach ich mir einen näheren Einblick in die wissenschaftliche Arbeit sowie Methoden und Ideen, die ich eventuell selbst irgendwann einmal in meine eigene Forschung einbringen kann.
2. Verlauf
Mein Praktikum begann am 13.02. um neun Uhr morgens in der Arbeitsstelle des Mittelhochdeutschen Wörterbuchs in Mainz. Nach einer kurzen Führung durch das Büro lernte ich direkt eine der Kerntätigkeiten des Mittelhochdeutschen Wörterbuchs kennen: Das Vorbereiten der Lexikonartikel. Bevor die Artikel von den Lexikographen geschrieben werden können, müssen in einem eigens dafür geschaffenen Programm namens TAReS sogenannte „Laufzettel“ angelegt werden, in denen die vorhandenen Belegstellen für ein Lemma aufgeführt sind. Dazu werden systematisch Belege aus bereits vorhandenen Wörterbüchern zur mittelhochdeutschen Sprache ausgewertet. In den Wörterbüchern werden Siglen als Kurzangabe für die verwendeten Quellen benutzt. Diese Siglen müssen aufgelöst werden, um zu überprüfen, welche Quellen sich dahinter verbergen und ob sie ggf. außerhalb des bearbeiteten Zeitraums liegen und damit irrelevant für das Mittelhochdeutsche Wörterbuch sind. Da das MhdWb zudem eigene Siglen verwendet, müssen diese im Laufzettel ergänzt werden.
Sobald die Laufzettel vorbereitet sind, werden die Belegstellen aus den Quellen exzerpiert, welche online oder in Buchform zur Verfügung stehen. Manche Belege sind sogar bereits in einem Belegarchiv erfasst und können fertig in die Artikel eingefügt werden. Mir war für mein Praktikum eine eigene Laufstrecke bereitgestellt worden, die die Lexeme von kiuscheloht bis klaftic (insgesamt 60 Stück) umfasste und die ich bis zum Ende meines Praktikums bearbeitete. Dabei stellte ich schnell fest, wie viel Zeit Exzerpieren in Anspruch nimmt. Zunächst muss überprüft werden, ob die gesuchte Quelle mit dem Beleg in der Arbeitsstelle vorhanden ist oder erst in der Bibliothek ausgeliehen werden muss. Ist die Quelle gefunden, gilt es, den Beleg herauszusuchen. Dabei ist die Zitierweise zu beachten, da ein Beleg nach Versen, Seiten o. Ä. zitiert sein kann. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Werke vor 1900 erschienen und aufgrund der Ligaturschrift schwer zu lesen sind. Während das Laufzettelerstellen zwei Tage dauerte, war ich mit Exzerpieren beinahe die ganzen vier Wochen beschäftigt.
Neben dem Exzerpieren durfte ich mich auch eingehend mit dem Buchbestand der Arbeitsstelle Mainz beschäftigen. Dieser umfasst etwa 400 Bücher, von denen 300 ausgeliehen und 100 weitere Dauerleihgaben der anderen Arbeitsstellen, Schenkungen oder Privatbesitz sind. Alle nicht-ausgeliehenen Bücher sollte ich zur besseren Übersicht in das Literaturverwaltungsprogramm Citavi eintragen und dort mit der entsprechender Sigle und einer Notiz über die Herkunft vermerken.
Die 300 ausgeliehenen Bücher müssen dagegen halbjährlich in der UB Mainz zurückgegeben und neu entliehen werden. Da die Leihfrist für knapp 30 Bücher im April auslief, ermittelte ich die neu auszuleihenden Bücher und half den Hilfskräften dabei, sie in der Bibliothek zu bringen. Später räumte ich sie wieder an ihren vorgesehenen Platz.
Neben diesen Aufgaben durfte ich auch fertige Artikel überprüfen und Exzerpte auf Fehler kontrollieren. Zu den Aufgaben, die in erster Linie organisatorischen Zwecken dienten, zählten das Einscannen und Bereitstellen von benötigten Büchern, Literaturrecherche, das Ausleihen und Zurückbringen von Büchern sowie Post holen.
Zum Abschluss meines Praktikums wurde ich von allen Beteiligten herzlich verabschiedet und mit einem Dank für die gemeinsame Zeit bedacht. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich drei vollständige Bücher eingescannt, darunter zwei Wörterbuchbände mit insgesamt über 1500 Seiten, eine Liste von 60 Lemmata fertig vorbereitet sowie den Buchbestand der Arbeitsstelle Mainz online erfasst.
3. Auswertung
Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit meinem Praktikum. Die vier Wochen gingen erstaunlich schnell vorbei und ich bedauerte, danach wieder gehen zu müssen. Meine Erwartungen an die verbrachte Zeit wurden vollständig erfüllt, teilweise sogar noch übertroffen.
Das Arbeitsklima innerhalb des Teams empfand ich als freundlich, hilfsbereit und offen. Mit allen Personen, die ich während der Zeit kennenlernen durfte, habe ich mich sehr gut verstanden, und wann immer ich Fragen hatte, wurde mir geholfen. Generell habe ich mich gut durch die vier Wochen begleitet gefühlt. Trotz meines Status als Praktikantin hatte ich das Gefühl, Teil des Teams zu sein und sogar nachhaltig dem Projekt geholfen haben. Die Aufgaben, die ich zu erledigen hatte, waren vom Verantwortungsgrad, Umfang und Schwierigkeitsgrad einem Praktikum angemessen. Über Fehler wurde wohlwollend hinweggesehen.
Am meisten Freude hat es mir bereitet, mich mit den vielfältigen mittelhochdeutschen Quellen auseinanderzusetzen. Im Studium lernt man meist nur die Standardwerke und -autoren kennen; durch das Praktikum hat sich mein Wissensstand bezüglich mittelhochdeutscher Werke nun erheblich erweitert (wo sonst kommt man mit Werken wie dem Anegenge, Seifried Helbling oder dem Linzer Antichristen in Berührung?). Neben den projektspezifischen Fähigkeiten, die ich erworben habe, habe ich auch einige interessante Tipps und Hinweise in Bezug auf das Studium und das wissenschaftliche Arbeiten erhalten.
Website Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz: http://www.adwmainz.de/startseite.html
Website des Mittelhochdeutschen Wörterbuchs: http://www.adwmainz.de/projekte/mittelhochdeutsches-woerterbuch/informationen.html
Das Projekt war im September 2017 auf dem Mainzer Wissenschaftsmarkt vertreten: https://www.wissenschaftsallianz-mainz.de/wissenschaftsmarkt/2017/zeltplaeneprogramm/zelt-gelb/von-a-wie-ackerganc-bis-z-wie-zaza-das-mittelhochdeutsche-woerterbuch/
Schön geschrieben!