Des Unilebens dritter Teil
Es ist Mai und am Montag beginnt die 4. Woche des 3. Semesters. Gerade geht die 18. Woche des Jahres vorbei. Manchmal denken wir, die Vergangenheit liegt so unerreichbar weit weg. Aber wenn eine Generation etwa 30 Jahre ausmacht, liegt das Jahr 1900 noch nicht einmal vier Generationen von uns entfernt.
Wie jedes Mal, wenn ich solch einen Artikel schreibe, muss ich also mit Kopfschütteln feststellen, wie schnell in unserer subjektiven Wahrnehmung alles vorbei gehen kann, auch wenn in Wahrheit die Zeit natürlich immer gleich bleibt. Fünf Monate ist Neujahr her, in fünf Monaten beginnt schon fast wieder das nächste Semester. Vor einem Jahr habe ich mein Studium begonnen. Unfassbar.
Nun ist das neue Semester also fast vier Wochen alt, aber erst jetzt finde ich die Zeit, darüber zu schreiben. Es ist so viel passiert bisher, dass mir selbst an den Wochenenden kaum eine ruhige Minute vergönnt war.
Anfängliche Verwirrungen
Wie immer, wenn der Ferienalltag allzu große Gewohnheit geworden ist und sich die Ferien dem Ende entgegen neigen, steigt bei mir die Vorfreude auf das neue Semester und damit auch auf einen festen Alltag. Wahrscheinlich hebe ich mich damit vom Großteil der „Party-Studenten“ ab, für die die Ferien am liebsten niemals enden sollten, aber Toni und ich haben schon öfter festgestellt, dass wir in dieser Hinsicht wohl ungewöhnlicher und fleißiger als andere sind. Ich würde ja jetzt schon am liebsten mit meinen Hausarbeiten beginnen, wenn ich könnte. Zumindest das Layout habe ich schon einmal erstellt.
Eigentlich hatte ich geplant, bereits am Freitag vor Semesterbeginn schon einmal zur Uni zu fahren und meine neuen Räume zu erkunden. Zwar ist mein Stundenplan eher überschaubar, aber dafür liegen die Räume in vier unterschiedlichen Gebäuden auf dem gesamten Campus verstreut. Im Endeffekt war ich dann nicht an der Uni. Wie ich im Nachhinein festgestellt habe, hätte es mir aber vielleicht einige bange Minuten am ersten Tag erspart.
Aufgrund der zahlreichen Baustellen in und um den Mainzer Campus herum, wurde die Uni-Bushaltestelle an einen Ort fünf Minuten Fußweg von der eigentlichen Haltestelle entfernt verlegt, an dem ich noch nie gewesen bin. Da ich gerade montags zum entferntesten Gebäude laufen muss, war ich am ersten Tag (und bin es immer noch) gut und gerne 12 Minuten unterwegs. Das bringt eben ein zentraler Campus mit, ist aber für die Fitness gar nicht so schlecht.
Während ich mich an der Bushaltestelle noch an den anderen Studenten folgen konnte, musste ich mich danach allein orientieren. Ich kannte zwar den ungefähren Ort, wo der der Hörsaal liegt, war dort aber noch nie für längere Zeit. Da der Raum auch ausgesprochen widersprüchlich ausgeschildert ist, bin ich mindestens eine Viertel Stunde verzweifelt zwischen mehreren Eingängen hin und her gelaufen, irrte durch verlassene Gänge, stand in einem Stockwerk, das wegen Asbestgefahr gerade kernsaniert wird, bis mir ein Geistesblitz doch noch den richtigen Weg gewiesen hat.
Der restliche Tag verlief zum Glück weitestgehend ohne Gefahren und längere Suchtiraden.
Lernen wie in einem Bunker
Der Campus der Uni Mainz ist – wie gesagt – zentral angeordnet. Fast alle Fächer, die hier angeboten werden, befinden sich auf einem (ausgedehnten) Gelände. Leider ist eines meiner Seminare in diesem Semester in einer der Ausnahmen untergekommen.
Aus Platzgründen hat die Uni offenbar Räume in einem alten Gebäude der Bausparkasse Mainz angemietet. Dieses Gebäude liegt auf der gegenüberliegenden Seite des Campus neben einer stark befahrenen Straße. Der offizielle Weg führt dann auch über eine Fußgängerbrücke direkt neben der Straße vorbei. Ohne irgendeinen schützenden Zaun.
Das ist aber nicht das einzige Schlimme, was es dazu zu sagen gibt. Das Gebäude ist nämlich fürchterlich! Der offizielle Eingang liegt am hinteren Teil des Gebäudes, versteckt im Grünen. Nachdem man den Eingang endlich mal gefunden hat, steht man in einem leeren weißen Raum mit drei Türen. Eine der Türen führt durch ein dunkles Treppenhaus und durch eine weitere Tür, bis man im eigentlichen Seminarraumbereich angekommen ist.
Fenster gibt es dort übrigens nicht, genauso wenig wie Sitz- bzw. Aufenthaltsmöglichkeiten, nur einen langen Zwei-Mann-breiten Gang, in dem das Licht öfter mal ausfällt. Es sieht dort wirklich aus wie in einem Bunker oder zumindest einem alten Keller. Und hier soll dann angenehmes Lernen möglich sein? Immerhin sind die Räume im Sommer lichtgeschützt und einigermaßen kühl. Hoffe ich zumindest.
Von freiwilligen Seminaren und Anwesenheitspflicht
Im Gegensatz zum letzten Semester habe ich bis auf eine Ausnahme nur Dozenten, die ich bisher gar nicht oder nur vom Sehen her kannte. Glücklicherweise sind darunter überwiegend sympathische Leute, was man von manchen Kommilitonen dagegen nicht unbedingt sagen kann…
Mein Stundenplan ist ziemlich ausgedünnt, da zwei Veranstaltungen aus Theaterwissenschaft nur einmal stattfinden. In Germanistik habe ich dieses Semester überhaupt keine Veranstaltung zur älteren Literatur, dafür vier zur neueren und zwei sprachwissenschaftliche.
Bisher bin ich eigentlich zufrieden damit. Wie immer sind natürlich Dinge dabei, die man lieber macht und interessanter findet als andere, aber so ist es ja immer.
Zwei Veranstaltungen will ich an dieser Stelle noch gesondert erwähnen. Zum einen das Seminar zu Goethe, das ich komplett freiwillig belege. Scheinbar ist es doch nicht so selten, dass Leute freiwillig eine Veranstaltung besuchen, wie ich vorher dachte. Ich bereue es zwar nicht, dieses Seminar genommen zu haben, da es auch super in meinen Stundenplan passt, aber irgendwie habe ich mir doch etwas anderes daruner vorgestellt.
Der Dozent ist zwar immer noch super lustig, eloquent und klug, aber seine Unterrichtsart gefällt mir nicht so ganz. Unbeabsichtigt habe ich mich direkt in der ersten Stunde für das erste Referat gemeldet (das im Übrigen jeder halten muss, nicht nur die Festangemeldeten). Das erste Wochenende habe ich also fast ausschließlich diesem Referat gewidmet (zu Goethes Leipziger Zeit im Übrigen), nur um den Vortrag, der ohnehin nicht benotet wird (auch bei den anderen nicht) im Endeffekt nur zur Hälfte halten zu können. Ich hätte auch sichtlich weniger Mühe investieren können und es hätte keinen interessiert. Aber immerhin habe ich ja etwas für mich gelernt.
Zum anderen möchte ich noch auf eine meiner Germanistik-Vorlesungen eingehen. Der Dozent dieser Vorlesung ist ebenfalls nett, aber offenbar scheint es ihn in besonderem Maße zu stören, wenn seine Vorlesungen schlecht besucht sind. Aus diesem Grund hat er gleich in der ersten Stunde angedroht, die Vorlesung komplett abzubrechen und alle inaktiv zu setzen, wenn irgendwann mal weniger als drei Leute da sind.
Er hat diesen Schritt damit begründet, dass er vorletztes Semester eine Vorlesung gehalten hat, die am Ende nur noch von einer Person besucht wurde und es ihm zu viel Arbeit sei, den wissenschaftliches Stoff aufzuarbeiten, wenn sich keiner dafür interessiere.
Drohungen in der ersten Stunde – super Voraussetzung für ein schönes Semester! Dass sich davon nur wenige beeindrucken lassen, hat sich bereits in der zweiten Sitzung gezeigt. Von knapp 100 Angemeldeten waren nur noch etwa 20 da. Und bei denen wird es garantiert nicht bleiben.
Natürlich verstehe ich seine Gründe, aber Vorlesungen in Germanistik sind nun mal nicht an eine Anwesenheitspflicht gefunden und der Termin (Fr 14-16) ist auch kein attraktiver, erst recht nicht im Sommer. Ist es nicht sowieso schöner, wenn nur noch Leute da sind, die das Thema auch wirklich interessiert?
Und was würde im Ernstfall mit denen passieren, die immer anwesend waren? Oder denen, die immer anwesend waren und vielleicht gerade an dem Tag, wo nur noch zwei da sind, krank sind? Ich fände es im höchsten Maße unfair, für etwas bestraft zu werden, das man nicht verbrochen hat. Das war auch schon in der Schule so. Was kann ein anderer dafür, wenn ein Rabauke Blödsinn macht?
Ansonsten lasse ich mich überraschen, was noch kommt. Wie bereits erwähnt muss ich nun das erste Mal Hausarbeiten schreiben und es warten noch zwei Referate.