Kochbanenen (die sind echt hart!)

Von Mandazi, noch mehr Spinnen und meinem Besuch bei Kathi und Leila

Zwei Wochen bin ich jetzt hier. Und die Zeit vergeht so langsam, dass es mir viel mehr vorkommt. Tatsächlich fühle ich mich hier schon ein bisschen zu Hause. Die Schwestern werden mir immer vertrauter und wenn ich so durch die Straßen gehe und die vielen Menschen sehe in ihren bunten Kleidern, das geschäftige Treiben des Marktes und die vielen Hügel und Bananenstauden, bin ich fasziniert von diesem Land und kann es immer noch nicht glauben, dass ich 10 Monate hier leben werde.

Was mir allerdings nicht so gefällt, sind die Spinnen! Als ich Donnerstagmorgen vor einer Woche in der Messe war, lief mir eine handtellergroße Spinne, deren Beine wie die einen Krebses ausgerichtet waren, über den Fuß. Erschrocken sprang ich auf die Kniebank – sehr zur Belustigung der Schwestern, die mir ihr Mitleid bekundeten (“Pole!”) – und eine Schwester tauschte mit mir den Platz. Die Spinne verzog sich unter ein Bein der Bank und verharrte dort. Nach der Messe setzte Sista Lucy dem Leben der Spinne ein Ende.

 

Essen

DSCN0108Das Essen ist nach wie vor ziemlich lecker. Es gibt zwar häufig das Gleiche, aber dafür so viel Auswahl, dass es nicht ganz so schnell langweilig wird. Allerdings wollen mir die Schwestern etwas Gutes tun und machen mir häufig Spaghetti, was mir allmählich echt zum Hals heraushängt. Es ist immer das Gleiche: Spaghetti Aglio e Olio nur ohne Algio und mit extra viel Olio (und Zwiebeln). Dabei mag ich Reis eigentlich viel lieber als Nudeln…

Was ich echt total mag, sind Mandazi und Vibama. Mandazi erinnern ein bisschen an Berliner, wobei ich letztens herausfand, dass sie um Grunde nichts anderes als frittiertes Stockbrot sind. Vibama sind auch frittierte kleine Kuchen mit Bananengeschmack. Beide könnte ich echt jeden Tag essen und die Schwestern sind so nett, mir sehr oft Mandazi zu machen oder zum Frühstück zu holen! Dafür machen sie sich etwas lustig über meine Liebe zu Mandazi, aber damit kann ich leben.

Was ich auch noch gerne mag, sind chipsi, englische Pommes. Diese esse ich dann immer mit Chillisoße.

Ich werde bestimmt sehr fett hier, denn hier wird echt alles in unendlich viel fett gebraten und frittiert. Für alles, was angebraten wird, schütten sie erst einmal locker 100ml Öl in die Pfanne. Selbst der Reis wird mit Wasser und Öl gekocht!

Zudem habe ich letztens das erste Mal eine Papaya gegessen! Wobei ich sagen muss, dass sie relativ langweilig schmeckt… Generell sind die Früchte hier zwar schon etwas fruchtiger, aber der Unterschied zu importierten Früchten in Deutschland ist gar nicht sooo groß. Aber ich bin froh über die ganzes Wassermelonen, Bananen (es gibt über 200 verschiedene Arten in Tansania), Papayas und Mangos, die in Deutschland ja sehr teuer sind. Außerdem gibt es hier direkt vorm Haus Avocadobäume und diese Avocados sind einfach mal locker viermal so groß wie die in Deutschland! Mein Traum!

 

Religion in Tansania

Religion ist in Tansania echt wichtig und ein großes Thema! Die Leute stehen hier offen zum Glauben und feiern ihn. So muss ich jeden Tag um 6:30 Uhr in die Messe (auch samstags und sonntags) und nachmittags ist dann nochmal eine Stunde Rosenkranz beten. Das geht wie folgt:

Zuerst wird das Glaubensbekenntnis gebetet, dann das Vater Unser, dann drei Mal das „Gegrüßet seist du, Maria“, schließlich folgen das „Ehre sei dem Vater“ und noch einmal das Vater Unser. Danach kommt fünf Mal folgendes: zehn Mal das „Gegrüßet seist du, Maria“, einmal das „Ehre sei dem Vater“ und zuletzt noch einmal das Vater Unser. So betet man ganz schon oft, viel und lange. Es hatte irgendwie eine beruhigende Wirkung und ich konnte die Gebete für die Kirche etwas mehr auswendig lernen.

Die Gottesdienste sind recht lang, halten sich aber meist doch in Grenzen (ca. 2 Stunden). Es wird viel gesungen, allerdings mehr vom Chor und nur sehr wenig von den Besuchern der Kirche. Zudem ist die Musik hier ziemlich kitschig. Gespielt wird auf einem Keyboard mit Orgelsound und so vielen Effekten wie gleichzeitig möglich. Dazu wird immer zwischendurch “gejodelt”, wobei ich immer an lachende Hyänen denken muss…

Als ich das erste Mal im Gottesdienst war, stellte mich das auch vor ein kleines Abenteuer: Die Schwestern hatten mich gefragt, ob ich in die Messe um 7:30 Uhr oder in die um 10:15 gehen möchte. Wenn ich die Wahl habe… Also ging ich in die spätere. Ich konnte also mal bis 8:30 Uhr ausschlafen (ich war früh ins Bett gegangen) und habe dann bemerkt, dass ich das auch irgendwie gebraucht habe. Ich dachte, die Schwestern gingen zu beiden Messen und somit musste ich alleine das einsame Haus verlassen. Das stellte sich allerdings als Problem dar, da sie von außen abgeschlossen hatten. Ich probierte alle Schüssel aus, die auf einem kleinen Tisch neben dem Fernsehen lagen, aber keiner passte. Ich versuchte, durch die Küche rauszugehen, aber mir fiel auf, dass man sie nur von innen abschließen konnte und ich konnte ja schlecht das Haus unabgeschlossen verlassen. Schließlich fiel mir genialerweise die Hintertür ein, in der tatsächlich ein Schlüssel steckte. Und so befreite ich mich aus der temporären Gefangenschaft.

Als ich an der Kirche ankam, strömten die Leute hinaus und ich traf Sista Catherine. Sie fragte mich, ob ich schon gefrühstückt hatte und nahm mich wieder mit nach Hause, als ich verneinte (die Kirche ist quasi gegenüber des Hauses der Schwestern). Dort sollte ich erst einmal essen und trinken, was mich eher verwirrte. Die Messe sollte in zehn Minuten anfangen, sollte ich etwa nicht gehen? Sista Catherine sagte, sie würde sich umziehen, und ich aß verwirrt mein Brot. Als sie wieder runterkam, war ich fertig mit essen, und sie sagte: „Bis später!“ Da wurde mir klar, dass die Schwestern nicht in beide Messen gingen und ich ganz alleine hinsollte.

Mit einem leichten Anflug von Panik ging ich also wieder zur Kirche und setzte mich in eine der Bänke. Mittlerweile war es 10:30 Uhr und die Messe hatte immer noch nicht begonnen. Eine Weile saß ich da und träumte vor mich hin, als mir siedend heiß einfiel, dass ich das Geld für die Kollekte vergessen hatte (und die ist in Tansania sehr wichtig und wird auch erwartet, da es keine Kirchensteuer gibt!). Schnell huschte ich zurück zum Haus und holte es, während die Panik immer größer wurde. Als ich wieder auf der Kirchenbank saß, wartete die Masse weitere zehn Minuten auf die Messe, bis sie um 10:45 Uhr mit einer Verspätung von 30 Minuten endlich begann. Ich murmelte die Gebete mit (mittlerweile kann ich nicht nur das Vater Unser, sondern aus das Schuldbekenntnis und das halbe Glaubensbekenntnis auswendig, ja ich war fleißig), machte nach, was die anderen taten und es war gar nicht so schlimm, alleine zu sein. Bei der Kollekte war ich allerdings unsicher, in welche der zehn zur Verfügung stehenden Kisten mit unterschiedlichen Aufschriften ich mein Geld werfen sollte, also nahm ich einfach die gleiche, wie die drei Kinder vor mir. Ständig diese Unsicherheit, etwas falsch zu machen…

Die Messe dauerte bis 12:15 Uhr, aber ich konnte ganz gut im Standby-Modus vor mich hin vegetieren und so kam mir die Messe gar nicht so lang vor.

 

Die Menschen

Die Menschen hier sind sehr (gast-)freundlich und offenherzig. Egal, wo man hinkommt, überall unterhalten sich Leute und begrüßen sich herzlich. Selbst wenn man nur einmal mit den Menschen geredet hat, laden sie einen zu sich nach Hause ein und freuen sich riesig, wenn man dann auch kommt.

Viele geben sich auch Mühe, extra langsam zu reden und ich verstehe immer mehr und kann immer mehr sagen. Allerdings gibt es auch Leute, die einfach nicht verstehen, dass ich sie nicht verstehe, wenn sie so schnell reden. Dann gucken sie mich an, als sei ich richtig dumm und vergessen, dass sie selber nicht einmal Englisch sprechen können. Solche Moment nerven mich ein wenig. Außerdem lernt man ja durch Reden… Das Problem ist nur, dass ich ja gar nichts habe, über das ich reden kann, weil mir die Vokabeln fehlen. Noch vor einer Woche war ich etwas verzweifelt, weil ich mir nicht vorstellen konnte, jemals irgendwas sagen und verstehen zu können. In letzter Zeit bemerke ich jedoch schon Fortschritte, also wird es wohl doch irgendwann klappen. Vor allem mit dem kleinen Sprachunterricht meiner Lehrerkollegin!

Die meisten Leute sind allerdings sehr nett und herzlich und die positive Erfahrungen mit Menschen überwiegen die negativen.

Des Weiteren wird in diesem Land echt viel telefoniert!! Alle halbe Stunde klingelt das Handy von jemandem und dann wird alles stehen und liegen lassen (mitten beim Essen, im Gespräch oder gar im Unterricht) und es wird erst einmal zwanzig Minuten telefoniert. Alternativ werden ständig SMS geschrieben. Das ist echt noch viel schlimmer als in Deutschland!

Die Schwestern sind auch sehr nett und zuvorkommend. Sie werden mir schon richtig vertraut und ich kann mich immer mehr mit ihnen unterhalten. Ich bin sehr froh, bei ihnen wohnen zu dürfen!

 

Früh aufstehen…

… muss ich jeden Tag um 6 Uhr, auch am Wochenende. Zwar gehe ich dafür auch früh ins Bett, aber allein die Tatsache, dass es 6 Uhr ist, zerrt an den Nerven. Ich wünschte, ich könnte wenigstens einen Tag in der Woche mal ausschlafen… Vor allem habe ich dann noch mehr Zeit totzuschlagen, wenn am Wochenende nicht viel zu tun ist und ich theoretisch frei habe.

 

Alleine sein…

… ist manchmal echt hart. So ohne Einsatzstellenpartner stehe ich oft alleine vor Situationen, in denen ich nicht weiß, was ich tun soll. Ich hätte gerne jemanden, mit dem man Rätseln kann, was die Leute von einem wollen, oder mit dem man das “Leid” teilt. Wenn ich hier so alleine bin und keinen verstehe und keiner mich versteht, fühle ich mich schon oft sehr einsam. Besonders mit der vielen Freizeit weiß ich häufig nichts anzufangen. Selbst wenn ich beim Kochen helfe und Bohnen sortiere, sind das immer nur kleine Aufgaben und beschäftigen mich nicht lange. Ich setze mich auch gerne zu den Schwestern und entspanne mich in der Küche. Die Küche ist einer meiner Lieblingsorte. Sie ist eine kleine Scheune ohne Strom und ohne Glas in den Fenstern, aber die große Tür steht immer offen, sodass man hinaus in den Garten sehen kann. Der ganze Ruß an den Wänden und der ständige Geruch nach Lagerfeuer haben irgendwie seinen Charme… Allerdings wird mir dann auch irgendwann langweilig, weil ich ja nichts verstehe.

So lese und schreibe ich ziemlich viel. Einerseits schreibe ich entgegen meinen Plänen doch eine Art Tagebuch am PC. Andererseits komme ich mit meinen Roman sehr gut voran. Immerhin etwas. Jetzt, wo sich auch etwas Routine einspielt, komme ich auch besser damit klar. Trotzdem bleibt immer diese Unsicherheit zurück, ob ich nicht lieber oben bei den Schwestern sein sollte, wenn ich alleine in meinem Zimmer sitze… Manchmal brauche ich diese Ruhe einfach.

Manchmal kann man Arbeit auch gut mit Schönem verbinden. Letztens habe ich zum Beispiel für Sista Catherine Punkte von Tests vom kompletten Halbjahr zusammengerechnet und dann den Durchschnitt für jeden Schüler ausgerechnet. Dabei habe ich die Känguru-Chroniken gehört, die ich sehr unterhaltsam finde!

Außerdem habe ich letztens dann mal meine Geige ausgepackt und habe mit großem Erstaunen festgestellt, dass sie sich kaum verstimmt hat! Tatsächlich nicht mehr, als hätte sie zu Hause zwei Wochen rumgehangen. Dummerweise habe ich aber keinen Notenständer, sodass ich die Noten hinter den Wasserhahn des nicht funktionierenden Waschbeckens klemmen muss, was eher suboptimal ist. Ich finde es auch sehr schwer zu spielen, ohne zu wissen, wie es klingen soll…

 

Die kleinen Herausforderungen

Es sind die kleinen Herausforderungen, die Geldud, Ignoranz und Akzeptanz erfordern. Das liegt häufig an kulturellen Unterschieden.
So ist das ständige Warten für eine Deutsche schon sehr ungewohnt.
Die Entspanntheit breitet sich auf alle Bereiche des Lebens aus, sodass eines morgens spontan die Messe ausfiel. Dann habe ich mir gedacht, dass ich auch länger hätte schlafen können… Nach dem Frühstück habe ich mich dann tatsächlich noch einmal für eine halbe Stunde hingelegt!
Als ich letztens von der Arbeit wiederkam, war keiner da und ich habe aus irgendeinem Grund keinen Schlüssel (wahrscheinlich gibt es nicht genug). So saß ich etwa eine Stunde draußen ohne Beschäftigung, weil ich mein Kindle vergessen hatte. Dieses ständige ein- und ausgeschlossen werden bewegt einen schon dazu, sich ab und an ein wenig vergessen zu fühlen…

 

Kindererziehung in Tansania…

… ist sehr anders als in Deutschland! Einerseits hat man weniger Angst um seine Kinder. Das macht sich darin bemerkbar, dass eine Klasse von 3-6-jährigen Kindern einfach mal eine halbe Stunde oder länger ohne Aufsicht im Klassenraum oder draußen gelassen wird. In der Kirche rennen kleine Kinder nach draußen (auch ohne Aufsicht) und kommen auf einer dreckigen Batterie kauend wieder rein und keinen interessiert’s. So viel zum Thema Kindersterblichkeit…

Dann ist da andererseits die Strenge, die sich im Schlagen der Kinder bemerkbar macht. Mehr zum Schlagen habe ich in meinem Eintrag über meine erste Arbeitswoche geschrieben. Hier möchte ich nochmal kurz erwähnen, dass man das nicht beurteilen sollte, denn in Deutschland ist es auch noch nicht lange her, dass das Schlagen zur Erziehung gehörte!

 

Spontaner Besuch bei Kathi und Leila in Kisa!

Am Freitagmittag kam ein Pater namens Father Pascal aus Mbeya Town zum Essen vorbei (hier kommen ständig irgendwelche Leute zum Essen, die ich nicht kenne). Er war seit langem der erste, mit dem ich mal wieder Englisch reden konnte! So unterhielten wir uns über Gott und die Welt und Politik in Deutschland, Tansania und Afrika. Später bot er mir an, mich nach Kise mitzunehmen zu zwei meiner Mitfreiwilligen und mich später wieder nach Hause zu sein. Freudig nach ich dieses Angebot der tansanischen Freundlichkeit entgegen! So kam es, dass ich Kathi und Leila spontan einen Besuch abstattete!

Als ich dann plötzlich in ihr Wohnzimmer kam, haben sie schon sehr gestaunt, aber wir haben uns alle sehr gefreut. Sie haben mir ein bisschen die Umgebung und die Schule gezeigt und es hat echt gut getan, endlich mal wieder mit Menschen zu reden, die ich sowohl sprachlich als auch emotional verstehe. Wir konnten vieles austauschen und uns gegenseitig beruhigen bzw. ein bisschen über die Kultur lästern. Danach habe ich mich viel besser gefühlt und wieder packte mich eine Euphorie, hier zu sein. (Schon komisch, dass ich mich erst freuen kann, hier zu sein, wenn ich erst mal hierüber gelästert habe. Aber gut.) Ich habe mich gefreut, hier zu sein und die netten Leute kennenlernen zu dürfen. Ich habe mich gefreut, diese wunderschöne Kultur sehen zu dürfen. Und vor allem habe ich mich gefreut, so tolle Mitfreiwillige zu haben. Ich bin unheimlich dankbar, Teil dieser Gruppe sein zu dürfen!

Und als wir dann viel zu bald wieder zurückgefahren sind und ich so im Auto die hügelliege Landschaft mit den vielen Bananenstauden und heruntergekommenen Hütten gesehen habe, kam mir in den Sinn, dass nichts selbstverständlich ist und ich war in den Moment irgendwie dankbar für alles. Dankbar, dass ich den Pater kennengerlernt habe und dass er so freundlich war, mich mitzunehmen. Dankbar, dass Tansania so ein schönes Land ist. Dankbar, dass ich hier sein darf. Und ich habe diese Hütten gesehen und mir gedacht, wie wenig mir diese Armut ausmacht. Damit meine ich nicht, dass ich nicht schlimm finde, wie manche leben müssen. Aber sie wirkten einfach alle so glücklich, wo sie waren. Wer braucht schon eine europäische Sitztoilette? Man kann auch gut ohne leben. Das Leben hier ist irgendwie friedlich wie ein munter vor sich hin plätschernder Bach. Natürlich wünsche ich den Menschen, sie hätten Strom und fließendes Wasser, aber es ist auch nicht so, dass sie schreiend und heulend über die Straße rennen und ihr Leben beklagen. In mancherlei Hinsicht sind sie bestimmt auch reicher als wir.

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