Wissenswertes über Klassiker: Goethe und Schiller

In meinem heutigen Artikel geht es um Goethe und Schiller. Worum auch sonst, werden manche vielleicht denken, schließlich sind die beiden meine Lieblingsschriftsteller – allerdings unabhängig voneinander. Was genau ich damit meine, werde ich im folgenden Beitrag näher beleuchten. Mir geht es nämlich nicht darum, hier die Bedeutsamkeit ihrer Werke zu betonen, sondern ich möchte näher auf den Gesamtausdruck „Goethe und Schiller“ eingehen.

Sicher ist es anderen auch schon aufgefallen, dass die Namen der beiden Schriftsteller meist in einem Atemzug fallen, häufig jedoch in wenig differenziertem Kontext (und meiner Meinung nach zu Lasten des letzteren). Manchmal wird auch noch Lessing mit in den Aufzählungstopf geworfen, gerade wenn man „herausragende“ Vertreter der dt. Literatur nennt.¹ Ein Beispiel dafür und in diesem Fall auch der konkrete Anlass für meine Ausführungen ist ein Forumsthread, den ich neulich verfolgt habe. Das genaue Thema ist mir entfallen, ich weiß aber noch, dass jemand schrieb, dass die Liebesehe erst von der Romantik stark gemacht wurde. Ein anderer kommentierte daraufhin sinngemäß, dass wir diesen Umstand Goethe und Schiller zu verdanken haben. Diese gleich in mehrfacher Weise zu kritisierende Aussage reizte mich dazu, einmal ein paar Aspekte aufzuführen, die die beiden unterscheiden.

Mir ist natürlich klar, dass „Goethe und Schiller“ gerne als eine Art Redewendung verwendet wird (Goethe und Schiller haben X gemacht, in den Zeiten von Goethe und Schiller etc.), ohne dass die Nutzer dieses Ausdrucks wissen, wer sich historisch und thematisch wirklich hinter den Namen verbirgt. Trotzdem denke ich, dass es nicht schaden kann, zumindest einmal einen kleinen Einblick zu geben.

Goethe und Schiller sind nicht die einzigen Schriftsteller, die eng zusammengearbeitet haben, aber sicher eine der wenigen, die als Dichterpaar stilisiert und in die Höhe gehoben wurden.

Der Begriff „Goethe und Schiller“ setzt zunächst einmal eine Art Verbindung voraus. Die gab es auch, sonst hätte man ja gar keine Grundlage für den Kult um diese Dichterpaar. Ihre Zusammenarbeit (und Freundschaft) begann 1794, aber beide kannten sich schon vorher, allein schon deshalb, weil sie zu dieser Zeit sehr bekannt waren und nur einen Katzensprung voneinander entfernt lebten (so verschaffte beispielsweise Goethe Schiller 1789 seine Geschichtsprofessur in Jena). Die gemeinsame Zeit dauerte bis zu Schillers Tod 1805 an. Gerade zu Beginn war der Austausch für beide eine sehr produktive Phase, u .a. da Schiller für seine Zeitschrift “Die Horen” Beiträge brauchte. So entstanden 1796 die Xenien, ein Jahr später im Balladenwettstreit berühmte Balladen wie Die Bürgschaft oder Der Zauberlehrling. Auch haben sie sich gegenseitig Ratschläge erteilt oder sich Themen vorgeschlagen (Goethe hat den Wilhelm Tell-Stoff Schiller zur Bearbeitung überlassen). Im Prinzip also nichts anderes, was andere Autoren vor und nach ihnen nicht auch schon getan hätten. Warum gerade sie (vor allem ab der Zeit des Kaiserreichs) eine solche Überhöhung erfahren haben, wäre wiederum Stoff für einen anderen Artikel.

Was dieser Begriff vielleicht nahelegt, ist, dass die beiden ihre Werke gemeinsam verfasst haben, wie beispielsweise sehr viele Dramen Brechts eigentlich Zusammenarbeiten zwischen ihm, einem Komponisten und seinen “Mitarbeiterinnen” darstellt. Dem ist nicht so. Trotz der Zusammenarbeit arbeiteten beide unabhängig voneinander und vertraten ihre eigenen Positionen.

Goethe

Zum einen unterschieden sie sich in ihren „Schreibgewohnheiten“. Goethe schrieb seine Werke lieber erst fertig und präsentierte sie dann als Gesamtprodukt. Schiller holte sich dagegen während des Schreibprozesses Anregungen, was auch damit zusammenhängt, dass er in erster Linie Berufsschriftsteller war. Dementsprechend war er auf die Kritik des Publikums und auf Gönner angewiesen. Schiller musste allein des Geldes wegen viel schreiben – und blieb trotzdem fast sein ganzes Leben lang in Geldnöten. Neben seinen historischen und philosophischen Werken und den Balladen schrieb er hauptsächlich Dramen. Ein Romanautor war er (wenn man mal von wenigen Ausnahmen absieht) nicht.

Als Goethe nach Weimar kam, war er ein bekannter und gefeierter Schriftsteller und stand bald in Diensten des Fürsten. Die Schriftstellerei entwickelte sich für ihn zu einer Art Liebhaberei, auf die er nicht angewiesen war. Als er um 1790 keine großen literarischen Erfolge mehr erlebte, störte ihn das in finanzieller Hinsicht wenig. Diese Unabhängigkeit ermöglichte es ihm auch, sich mit dem zu beschäftigen, was ihn interessierte, mochte das naturwissenschaftlicher oder literarischer Art sein. Von Lyrik über Epik bis zur Dramatik hat er alle literarischen Gattungen durchkämmt. Typisch für ihn ist auch, dass er in und mit seinen Werken persönliche Erfahrungen verarbeitete – gerade Werther ist dafür wohl das prägendste Beispiel. Bei Schiller gibt es das überhaupt nicht.²

Schiller

Schiller war ein Vertreter des Idealismus schlechthin, gerade in der Zeit der Klassik. Seine Figuren streben nach Idealen, nach idealen Verhältnissen, nach idealen Lebensformen und nach Freiheit, die dem Autor besonders wichtig war. In seinen philosophischen Werken entwickelt er seine Vorstellungen von Ästhetik, Anmut und Erhabenheit, vom naiven und sentimentalischen Dichter, nur einige seiner zentralen Begriffe (→ siehe dieser Artikel zur Klassik).

Das Verhältnis der beiden war übrigens stets von Respekt geprägt. So haben sie sich in den ganzen elf Jahren niemals geduzt.

Die Liste könnte man natürlich noch viel weiter führen, angefangen bei den unterschiedlichen Lebensverhältnissen, aus denen beiden stammen, bis zu Schillers schlechter körperlichen Konstitution, aber das würde den Platz nur sprengen. Wer sich dafür interessiert, dem sei Rüdiger Safranskis Buch „Goethe & Schiller – Geschichte einer Freundschaft“ ans Herz gelegt. Von dort habe ich auch die meisten anderen aufgeführten Fakten.

Vielleicht ist nun auch klar geworden, was ich an der Aussage aus dem Forum zu bemängeln habe. Es stimmt, dass die Romantik zeitgleich mit Goethe und Schiller wirkte und es zahlreiche Verbindungen gab. Aber keiner der beiden war Vertreter der Romantik. Und gerade der im Thread betonte Aspekt der Liebe hat mit Schiller überhaupt nichts zu tun.

Mir ging es wie gesagt nur darum, etwas Licht ins Dunkeln zu bringen, genauso wie man aus dem Kontext gerissene Zitate nicht immer automatisch als Meinung eines Dichters ansehen sollte.

Mehr zu Goethe
Mehr zu Schiller

Anmerkungen

¹ Goethe und Lessing haben sich nie persönlich getroffen (dazu gibt es übrigens eine schöne Anekdote in Goethes Dichtung und Wahrheit), Schiller und Lessing ebenfalls nicht. Lessing war im Gegensatz zu den anderen beiden Aufklärer, wobei man hier zugute halten muss, dass er das Genre des bürgerlichen Trauerspiels in Deutschland etabliert hat, was u. a. von Schiller in Kabale und Liebe ebenfalls aufgegriffen wurde.

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